Barocker Luxus im Bayerischen Nationalmuseum

Schnürmieder und Reifrock aus dem Barock

(Werbung, kostenlose Führung des Museums) Vom Kind am Gängelband, goldsuchenden Alchimisten und Konfetti, das aus jahrhundertealten Ballkleidern rieselte…  als ich die Einladung zum Bloggerwalk durch die Sonderausstellung „Barocker Luxus“ im Bayerischen Nationalmuseum bekam, hatte ich mir nicht allzu viel davon erwartet. Aber es wurde richtig beeineindruckend schön. Und warum, das erzähle ich Euch heute hier:

Allein im Museum, ohne Besuchermassen? Die Idee fand ich toll. Allein, das Bayerische Nationalmuseum hatte mich bisher noch nie gereizt. Ich hatte aufgrund des Namens den Eindruck, dass hier wahrscheinlich die weiß-blaue Herrlichkeit gefeiert würde. Fieses Vorurteil, mit dem durch diesen Besuch gründlich aufgeräumt wurde.

Die Sonderausstellung „Barocker Luxus“ sollte uns vorgestellt werden. Nicht nur die Blogger waren in gespannt, was uns erwartet, auch das Team vom Museum. Denn, eine Bloggerrunde durch die Ausstellung zu führen, dass haben sie zum ersten Mal gemacht. Und dann gleich wirklich super. Jeder der Kuratoren stellte mit so viel Herzblut und Begeisterung „seine“ Ausstellungsstücke vor, es war toll, vielen Dank!

Die Kuratoren des Bayerischen Nationalmuseums

Aber, warum war es denn so toll? Ich hatte mein erstes Aha-Erlebnis gleich in der ersten Abteilung. Elfenbein… naja, dachte ich. Ja, nett. Geschnitzes Figürchen. Normalerweise wäre ich da durch geschlendert und hätte das abgehakt. Nun aber fing der für diesen Bereich zuständige Kurator an, zu erzählen. Hängen geblieben ist mir vor allem, dass es erstaunlicherweise im 16 Jhrdt zur Erziehung von Prinzen gehörte, an einer Elfenbein-Drechselmaschine kunstvolle Dinge herzustellen. Das Ding hier unten ist so eine Maschine. Und wie man die bediente, um anschließend so filigrane Kunstwerke wie auf der rechten herzustellen, bleibt mir schleierhaft. Aber bitte, ich bin ja auch kein mittelaltererlicher Prinz 🙂 Die Kugel übrigens ist nicht zusammengesetzt. Der Stern da drinnen wurde von außen fabriziert, so gleichmäßig und filigran, mich hat es beeindruckt.

Drechselmaschine für Elfenbein mit Elfenbeinkugel

Als nächstes kamen wir zum Porzellan. Wußtet ihr z.B., dass man für diese riesigen Feste die Tischdeko aus Zuckerwerk hergestellt hat? Und natürlich auch versuchte, das von einem Fest zum nächsten zu retten, weil das alles so kompliziert war? Ist natürlich mit der Zeit immer weniger ansehnlich geworden. Diese Dekorationen wurden mit der Erfindung des Porzellans durch solch dauerhaften Figuren wie auf der rechten Seite ersetzt.
Und links? Da seht ihr eine Wackelpagode, die in Gärten hing und bei Luftzügen sachte dekorativ vor sich hinwackelte. Nett 🙂

Chinesische Wackelpagode und Porzellanfigur

China war groß in Mode und Porzellan sehr stark nachgefragt. Hierzulande wußte nur keiner, wie man das herstellt. Da kam der Alchemist Böttger ins Spiel, der bemüht war, die Rezeptur für die Herstellung von Gold zu finden. Und jetzt wird es wie bei Rumpelstilzchen, denn der König hörte von seinen Erfolgen bei der Herstellung von Gold und ließ ihn gefangen nehmen, auf das er sein Geheimnis preis gäbe und Reichtümer für ihn schaffte. August der Starke gewährte ihm dann Protektion und wollte aber doch nur auch das Geheimis abschöpfen. 12 Jahre lang war er festgesetzt und hat doch kein Gold produziert. Im Laufe der Bemühungen stieß er aber „irgendwie“ darauf, wie er Porzellan herstellen könne. Und das war fast ebenso hoch geschätzt, wie Gold.

Farbpalette und Farben zum Bemalen von Porzellan

Kommen wir zur Silberabteilung 🙂 Hier hat mich umgehauen, dass man hier ein komplettes fürstliches Silbergeschirr zeigt. Ein riesiger Tisch steht in einem der Ausstellungszimmer, eingedeckt für den ersten Gang eines fürstlichen Banketts. Ja, das sieht man wirklich auch nicht so häufig. Ich muß schon sagen, wer damals dem Adel angehörte, der konnte es sich wirklich gut gehen lassen. Allerdings hätte ich nicht bei den unteren Chargen sein mögen.

Tafel gedeckt für ein fürstliches Bankett

Aus der Waffenabteilung hab ich Euch keine Bilder mitgebracht, weil mich auch der engagierte Kurator hier nicht mitreißen konnte. Ich bin einfach kein Waffen- und Jagdfan. Danach jedoch kam die „Kleiderkammer“, und da war ich wieder dabei. Allein diese Vitrine war schon toll. Ein Schnürkorsett mit Reifrock-Unterbau wird hier gezeigt. Darunter links die Taschen, die da hinein geknotet werden, damit Frau auch alles mitschleppen kann, was so gebraucht wird. Rechts die Strümpfe und die Strumpfbänder. Das Gerüst für den Rock hat übrigens ein Scharnier – wenn es mal eng wurde, klappte die Dame ihr Rock einfach hoch… schon irgendwie cool, oder?

Schnürmieder mit Reifrockkonstruktion

Dieses wunderbare Kleid aus Seide hat ein geschummeltes Unterkleid. Die Seide ist bestickt, aber der Rock fehlte. Man fand eine Firma, die Seide mit dem Computer bedrucken konnte. Und dann fand man sogar jemanden, der das Blumenmuster so genau abzeichnen konnte, das der Computer es aufdrucken konnte, ohne dass jetzt ein Unterschied zwischen den 2 Materialien bemerkt wird.

Seidenkleid bestickt mit Blütenornamenten

Und die Geschichte zu diesem Kleid ist echt faszinierend. Irgendwie gelang der Stoffhaufen, der mal ein Kleid war, zum Museum und man fing an, das Kleid zu rekonstruieren. Beim Trennen der Stoffbahnen rieselten den Restauratoren plötzlich Konfettischnipsel entgegen, von irgendeiner Feier, vor hunderten von Jahren… 🙂
Das Kleid, dass wir in der Vitrine sehen können, ist dann das Ergebnis ewiger Puzzlearbeit. Restauatoren setzten sich hin und schoben Nadelloch auf Nadelloch, so lange, bis die einzelnen Stoffbahnen endlich wieder ein Kleid ergeben:

gestreiftes Seidenkleid aus dem Barock

Klar, Stoffe waren teuer. Kleider wurden immer wieder auseinandergenommen und wieder neu vernäht. Hier links sieht man in der Rüsche auch noch Nadellöcher.

Rüschen des Seidenkleides

„Gängel mich nicht“… das konnte der kleine Junge, dem diese Jacke gehörte, wohl nicht verlangen. Praktisch oder freiheitsberaubend? Je nach Blickwinkel wird das wohl anders beurteilt, die Gängelbänder zum Festhalten hinten an der Jacke eines kleinen Kindes.

Gängelband hinten an der Jacke eines Jungen

Und, zu guter Letzt, kommt hier noch ein opulentes Ballkleid. Keine Knöpfe, keine Haken, nirgends. Die Dame wurde wohl eingenäht 🙂

Aufwendiges Ballkleid aus Seide

Mein Dank geht an das Team des Museums für die Einladung und diese mitreissende Führung. Ich wäre nie in das Museum gegangen, weil ich mich nie angesprochen fühlte. Was für ein Irrtum. Jetzt werde ich öfter mal in das Ausstellungsprogramm schauen. Und das Zeitalter des Barocks? Viel gelernt, muß ich sagen. Ich hatte das bisher eher als zu „plüschig“ abgetan. Reines Unwissen! Was da alles entdeckt und erfunden wurde, ist einfach beeindruckend.

Barocker Luxus, Ausstellung im Bayerischen Nationalmuseum

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5 Kommentare

  1. So wunderschön! Vielen herzlichen Dank für deine fabelhafte Nachlese. Mich freut ungemein, dass du das Bayerische Nationalmuseum jetzt mit anderen Augen siehst, und dass du wiederkommst. Es gibt so viele staunenswerte und noch unerzählte Geschichten im Museum. Spannende und vor allem kurzweilige Entdeckungstouren sind garantiert. Im November gibt es noch einen Barocktag mit speziellem Programm.

    Mich fasziniert, was du alles mitgenommen hast vom BloggerWalk. Ich mag auch sehr die Art und Weise wie du schreibst. Vielen herzlichen Dank dafür. Ich bin sehr froh, dass du unsere Einladung angenommen hast. Es ist einfach wunderbar, die Sammlung über dich und den anderen tollen Teilnehmern aus ganz anderer Perspektive wahrzunehmen, als wir es tun. Das begeistert mich.

    Herzlich,
    Tanja

  2. Danke für Deinen kurzweiligen Beitrag! Wir freuen uns, dass es Dir gefallen hat – und natürlich auch, dass wir mit sem einen oder anderen Vorurteil aufräumen konnten. #MUSEUM darf spannend, bewegend und interessant sein – und auch immer wieder Spaß machen. Wenn uns das gelungen ist … ?

    • Liebe Angelika, da hast Du so recht! Und ja, alle Vorurteile revidiert – ich komme wieder 🙂

  3. Das war interessant danke. Ich hätte ja gedacht, dass es mit den Gestellen eher ein witziger Bezug auf früher war, aber anscheinend hat man das ja echt benutzt. In jedem Fall mal spannend sowas zu sehen und ein wenig erläutert zu bekommen. Danke!

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